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Forststeig Etappe 3 – Ostrov bis Kamphütte

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Noch nie habe ich jemanden so tief und friedlich schlafen sehen. Mina liegt zusammengekringelt wie eine kleine Teewurst am Fußende des Zelts. Der Regen hat aufgehört, die Stille bricht mit dem typischen Zischen der Zeltreißverschlüsse. Ich klettere vorsichtig über sie hinweg, schnappe die Rucksäcke und beginne, das Zelt langsam leerzuräumen.

Ohne ein einziges Morgenmuffel-Anzeichen blinzelt sie mich verschlafen an und schenkt mir ein strahlendes Lächeln. Barfuß, noch im Schlafanzug, hilft sie mir beim Packen. Sie besteht darauf, hier nochmal zu frühstücken – „Das gehört sich so!“, sagt sie lachend.

Gesagt, getan: keine 250 Meter weiter setzen wir uns wieder hin, um königlich zu schlemmen. Die Bedienung, unglaublich freundlich, versorgt uns nicht nur mit einem unfassbar großen Pott Kaffee und einer gigantischen heißen Schokolade für Mina, sondern füllt auch all unsere Wasserflaschen wieder auf. Frühstück der Champions – wir fühlen uns fast wie Adelige.

Dann machen wir uns auf in die Felsenstadt Tysa. Die imposanten Felsformationen begrüßen uns still, während wir den schmalen Pfad entlangschlendern. Das Wetter wechselt wie im Film: Regen, Sonne, wieder Regen. Doch die Landschaft belohnt uns mit einem wundervollen Panorama. Kiefernduft liegt in der Luft, wo kürzlich abgeholzt wurde. Die Schauer stören uns nicht, sie machen die Luft nur frischer und klarer. Wir wissen: Heute wird’s entspannt – kein harter Anstieg, unter 16 Kilometer. Doch morgen, da wird es ernst.

Wir erreichen den „Grenzweg“, einen schmalen, nur 30 cm breiten Pfad, der sich zwischen Grenzpfählen und dem charakteristischen gelben Forststeigmarker windet. Die Landschaft ist wild, rau, ungezähmt – genau nach unserem Geschmack.

Auf halber Strecke rasten wir auf einem riesigen Felsen, der hoch über dem Grenzweg thront. Der Blick ist fantastisch. Die vorbeiziehenden Wanderer winken uns fröhlich zu, und wir genießen das Gefühl, hier oben inmitten der Natur zu sein.

Am frühen Nachmittag erreichen wir ein Plateau, das tiefer unten seltsame Felsformationen preisgibt. Manche Felsen haben riesige Löcher, die aussehen, als hätte jemand sie als natürliche Bilderrahmen in die Landschaft gestellt, um besondere Aussichten hervorzuheben. Minas Cape hat endgültig den Geist aufgegeben, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Weiter geht’s zum Zeisigstein – 551 Meter hoch, unser erster Gipfel heute.

Als ich Mina von dem Gipfelbuch erzähle, sprintet sie den letzten Abschnitt hinauf und kritzelt mit stolzgeschwellter Brust „Forststeig 2023“ hinein, natürlich inklusive eines lauten Wolfsgeheuls. Prompt kommt die Antwort aus der Ferne. Der Himmel ist strahlend blau, die Wölfe heulen – und wir fühlen uns unbesiegbar.

Gegen 16 Uhr finden wir einen uralten Baum, der wie geschaffen scheint, um unseren Wanderstein dort zu hinterlassen. Der „MCHike“ Stein – benannt nach Mina und mir – findet hier seinen Platz. Mit einer Handvoll Datteln und einem letzten Schluck Wasser setzen wir unseren Weg fort, über grüne Wiesen und entlang von ehrwürdigen Bäumen.

Gegen 17:30 erreichen wir die Kamphütte, und Mina erkundet sie sofort mit glänzenden Augen. Ein kleines Abenteuer für sich, bevor der Himmel plötzlich seine Schleusen öffnet und ein Wolkenbruch uns überrascht. Doch das Timing ist perfekt: Der Forststeigranger klopft an unsere Tür, wir plaudern ein wenig und kaufen unsere Tickets für den nächsten Abschnitt. Als Geschenk bekommt Mina einen Button, der wie eine Finisher-Medaille aussieht. Der Ranger sagt ihr jedoch, sie müsse sich dieser Ehre erst noch würdig erweisen – morgen, am schwersten Part der Tour.

In einer kurzen Regenpause machen wir noch einen Abstecher zur Sophienquelle, 1,5 Kilometer hin und zurück, die Höhenmeter nicht mal mitgezählt. Letztes Jahr haben wir hier im Schwedenpark gezeltet, aber heute ist der Besitzer, Thomas, nicht da. Egal – wir füllen unsere Vorräte auf und machen uns auf den Rückweg zur Hütte.

Der Abend endet gemütlich: Wir kochen, gönnen uns ein wohltuendes Fußbad und lösen bei Kerzenlicht und Stirnlampen ein paar Knobelrätsel. Das Zelt trocknet endlich aus, und langsam machen sich die Müdigkeit und die Ruhe der Natur breit. „Gute Nacht, Mina.“ – „Schlaf gut, Papa.“

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