Ich weiß heute nicht, was mehr knarzt: meine Knochen oder das OSB der oberen Etage, auf dem wir liegen. Mina schläft noch seelenruhig. Ist noch sehr früh, leicht kalt, ich zünd nen Scheit an und setze das Porridge auf. Blättere durch das Hüttenbuch und checke unsere Bestände. Wasser holen steht an. Mina wacht langsam auf. Während sie auch im Hüttenbuch blättert und dabei ihr Porridge isst, packe ich schon die Schlafsäcke zusammen. Mina sortiert schon einen Wanderstein aus, den sie an dieser außergewöhnlich schönen Hütte ablegen möchte. Ich wasche ab, Mina packt ihre Sachen, und wir sammeln alles vor der Hütte. Kurzes Video für die Mamma, die uns inzwischen fast schon aus der Ferne anfeuert.

Heute steht Leupo auf dem Plan, unsere zweite Heimat quasi. Wir sind hier Mitglied in einem Verein, der eine Hütte besitzt. Diese steuern wir an, aber nicht ohne das Vorhaben, den Automaten an der Kreuzung seiner wunderbaren lokalen Spezialitäten zu berauben. Aber zuerst zur Quelle: 5 Liter gezapft und gefiltert. Zwar wird das Essen jeden Tag weniger, aber nen Liter Wasser bleibt halt bei einem Kilo je Liter, was für mich bedeutet: +6 Kilogramm. Mina übernimmt die letzten Essenspakete.
Los geht’s, vorbei an so manchen potenziellen Bouldern und wunderschön gerade gewachsenen Bäumen. Mina fügt unserer Forststeig-Hymne Wort für Wort hinzu. Wo auch immer sie die Kondition hernimmt, bergauf noch singen zu können, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir kommen zu einer Rast, Schneebergblick glaube ich. Aussicht wunderschön, mit einer kleinen Hütte auf dem Plateau. Wir sehen auf den Sneznik, wo wir an Tag 2 rüber sind. Der Blick ist beeindruckend und irgendwie stehen wir beide sprachlos da vor dem, was wir zurückgelegt haben. Ein paar Datteln und ein paar ungezogen große Schlücke noch kaltes Quellwasser später geht’s weiter – aber nicht, ohne dass die Gipfelwölfe (wir) den Ruf durchs Tal schallen lassen.
Geht so manchen Stein hoch, Katzefels usw., an einer Wegmarkierung finden wir einen Wanderstein, der uns ein bisschen begleiten wird. Im Rosental geht’s so ziemlich jeden Klumpen hoch, da Mina im Gipfelbuchfieber ist. Nächste Rast dann an der Spitzsteinhütte, nur kurz was trinken und ein paar Datteln. Sieht schön hier aus… aber unser Weg führt uns weiter. Stufe um Stufe, Stein um Stein geht’s von Plateau zu Plateau.

Die Wolken können wir als riesige Schattenfelder über den Gorisch ziehen sehen. Hier geht’s für uns dann morgen hin. Wir genießen die Aussichten, aber die Sonne fackelt richtig. Kaum jemand hier unterwegs. Gegen 14:30 geht’s wieder runter in den Wald: ein Specht, unser Reisevogel, der uns letztes Jahr (in unserer Geschichte) schon begleitet hat, tackert an einem Baum herum.

Mina meint, jetzt wäre so richtig der Zeitpunkt für was Gutes, Warmes und Chill. Wir ziehen uns unter ein Felsdach zurück, um der Sonne zu entfliehen, und kochen uns erstmal ein paar Spätzle mit Käse. Einen erneuten Wanderstein gabeln wir auf und schreiben der Creatorin von @PIR-Steine gleich. Sie freut sich und fragt, ob wir ihn behalten. Selbstverständlich legen wir ihn wieder aus, an einem Lieblingsplatz – versprochen. Die Steine wollen wandern, niemandem gehören.
Wir haben das Felslabyrinth noch vor uns. Von hier sind’s noch so fünf Kilometer vielleicht, Mina kann aber kaum noch. Die Schultern tun weh. Wir haben zwar keinen Druck, wollen aber den Weg nicht unnötig verlängern, zumal die letzte Pause sehr ausgiebig war und scheinbar nicht gereicht hat, um zu regenerieren. Ich schnalle mir ihren Rucksack vor die Brust. Verteilt das Gewicht zwar, aber ich sehe meine Füße nicht. Der Weg ist schmal und voller Wurzeln, nicht das Wetter, sondern die Angespanntheit lässt mich echt arg schwitzen. Minas Tempo ist nun hoch und ich will sie nicht ausbremsen. Ich kenne den Weg eigentlich sehr gut, bin mehrfach im Dunkeln hier schon lang, aber stürzen will ich trotzdem nicht.
Ahh, der Marmorkuchen… Ich glaub, 3Spitz heißt der, dann die Felsenbühne und Mina schmettert unser Forststeiglied in voller Länge, vorbei am – ich glaub – vergessenen Turm, und runter geht’s ins kleine, bekannte Tal. Mina will in die Bücherkammer und an den Automaten, niftelt schon nach ihrer Kontokarte. „Die erste Limo geht auf meinen Nacken“, sagt sie. Zielgerade… und los geht der Haul! Menschelbrause, Russisch Brot und Käse… wie wir Käse vermisst haben… jeder so ein – keine Ahnung – 300g Stück vor die Nase… egal, wird direkt im Stehen geschmatzt. Mina zieht die Karte durch, bedient den Automaten wie ein Pro und reißt den nächsten Kronkorken von der letzten Waldmeister-Menschel runter. Noch ’n Bier eingepackt, Brot, Käse, und es geht die Straße runter zur Hütte.

Die Nachbarin empfängt uns gleich mit einem „Wo kommt ihr denn her…“. Wir müssen wirklich schlimm aussehen… Ich frage mich, ob ich noch Essen im Bart habe. Setze schon seit Tagen die Kontaktlinsen einfach so ein ohne Spiegel und habe keine Vorstellung davon, wie ich nach außen wirke. Sie rennt rein und kommt mit zwei Flutschfingern zurück… die Stirn sorgenvoll in Falten gelegt, bietet sie uns irgendwie alles an, was ihr einfällt. Dankbar für den Flutschfinger und glücklich lassen wir uns auf die Bank fallen – und beschließen: Heute ist Waschtag, heute wird richtig gegönnt.